Gewaltprävention in der Pflege
Schutz bei Gewaltvorfällen
Pflegebedürftige Menschen haben das Recht, vor Gewalt geschützt zu werden. Wer Gewalt gegen pflegebedürftige Menschen beobachtet oder diese vermutet, muss etwas tun. Denn viele können sich nicht selbst helfen oder auch nur von Vorfällen berichten. Die körperlichen und psychischen Folgen können schwerwiegend sein. Daher ist es notwendig, auf Anzeichen zu achten und bei Gewalt einzugreifen. Das gilt in der informellen wie in der professionellen Pflege.
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Einleitung
Wissen
Tipps für pflegende Angehörige und professionell Pflegende
Hinweise für die professionelle Pflege
Was ist für den Schutz bei Gewaltverdacht und Vorfällen wichtig?
Ältere pflegebedürftige Menschen sind besonders schutzbedürftig. Denn sie können sich oft schlecht wehren und sind anderen ausgeliefert. Zudem können oder wollen sie vielleicht nicht von Vorfällen berichten. Hinzu kommt: Gewalt findet nicht selten im Verborgenen statt. Sie kann in allen Pflege-Settings vorkommen und von allen Personen ausgehen, die mit pflegebedürftigen Menschen Kontakt haben. Dabei muss Gewalt nicht immer böswillig geschehen. Auch Unachtsamkeit, Überforderung oder mangelndes Problembewusstsein können Ursachen sein. So kommt es zum Beispiel vor, dass Pflegemaßnahmen mit guter Absicht, aber gegen den Willen der pflegebedürftigen Person durchgeführt werden.
Sensibilisierung für Risiken und Formen sowie Wissen über mögliche Anzeichen für Gewalt sind zum Schutz pflegebedürftiger Menschen hoch bedeutsam. Es kommt darauf an, aufmerksam zu sein, Anzeichen ernst zu nehmen und einem Verdacht immer sensibel nachzugehen.
Beobachtungen, Vorkommnisse und Gewaltfolgen sollten genau, sachlich und nachvollziehbar dokumentiert werden. Das ist hilfreich, wenn Vorfälle offiziellen Stellen gemeldet werden. Rechtmedizinische Untersuchungsstellen sind auf die Untersuchung gerichtsverwertbarer Dokumentation von Gewaltfolgen spezialisiert.
Praktische Hinweise und weitere Informationen dazu bieten die Tipps zum Umgang mit Gewalt.
Bei akuter Gefahr gilt es, umgehend einzugreifen – ohne sich dabei selbst in Gefahr zu bringen. Bei körperlichen Verletzungen, Erpressung, massiver Vernachlässigung oder Drohungen sollte die Polizei eingeschaltet werden. Im Notfall sollte zudem der Rettungsdienst gerufen werden.
Wer kann zum Schutz pflegebedürftiger Menschen beitragen?
Zum Schutz pflegebedürftiger Menschen bei Gewalt kann jede Person beitragen, die Kontakt mit pflegebedürftigen Menschen hat, zum Beispiel: Mitarbeitende in ambulanten Pflegediensten, stationären Pflegeeinrichtungen und Pflegeberatungsstellen, Hausärztinnen und Hausärzte, Therapeutinnen und Therapeuten, Angehörige, Bekannte, Menschen in der Nachbarschaft, ehrenamtlich Helfende.
Besondere Verantwortung tragen an der professionellen Pflege und Versorgung beteiligte Personen. So sind professionell Pflegende dazu verpflichtet, pflegebedürftige Menschen vor Gewalt zu schützen (Garantenpflicht) und individuell angemessene Maßnahmen zu ergreifen. Das ZQP bietet dazu Hinweise für die professionelle Pflege.
Auch bei allen Beratungsanlässen in der Pflege oder der Pflegebegutachtung können mögliche Anzeichen identifiziert werden, etwa für körperliche Gewalt oder Vernachlässigung in der familialen Pflege. Im Rahmen von regelmäßigen Beratungsbesuchen für Empfängerinnen und Empfänger von Pflegegeld (§ 37 Absatz 3 SGB XI) ist es möglich, die Pflegesituation beratend zu begleiten. Wenn hierbei entsprechende Unterstützung abgelehnt wird, könnten eventuell offizielle Stellen hinzugezogen werden.
Zudem können Hausärztinnen und Hausärzte eine relevante Funktion beim Gewaltschutz einnehmen. Sie kennen ihre Patientinnen und Patienten oftmals seit Jahren und sind direkte Anlaufstellen bei Gesundheitsproblemen. Ergebnisse einer ZQP-Studie zeigen, dass Hausärztinnen und Hausärzte ihre Verantwortung bei Anzeichen für Gewalt aktiv zu werden, fast durchweg als sehr hoch einschätzten. Weitere Informationen zur Bedeutung von Gewaltprävention durch Hausärztinnen und Hausärzte finden Sie im Interview mit PD Dr. Ralf Suhr, Vorstandsvorsitzender des ZQP.
Hilfe für pflegebedürftige Menschen
Niemand muss Gewalt dulden. Zögern Sie nicht: Sprechen Sie die Person, die sich unangemessen verhält, zügig und offen an. Machen Sie deutlich, dass Sie dies nicht akzeptieren. Holen Sie sich Unterstützung bei einer Vertrauensperson oder bei einem Krisentelefon. Wenden Sie sich gegebenenfalls an die Leitung des Pflegediensts oder der Pflegeeinrichtung. Zudem können Sie den Medizinischen Dienst oder die Heimaufsichtsbehörde informieren. Rufen Sie die Polizei, wenn es zu körperlicher Gewalt, Drohungen oder massiver Vernachlässigung kommt.
Was sind Anzeichen für Gewalt gegen pflegebedürftige Menschen?
Die Anzeichen für Gewalt gegen pflegebedürftige Menschen sind nicht immer eindeutig. Manche Symptome können zum Beispiel Folge einer Erkrankung oder eines Sturzes sein. In jedem Fall sollten die Ursachen geklärt werden.
Beispiele für Anzeichen von Gewalt gegen pflegebedürftige Menschen
- Schwellungen, blaue Flecken, Griffspuren an Armen und Handrücken
- Kratzer, Abschürfungen, Platzwunden, ausgerissene Haare
- mangelnde Körperhygiene
- mangelnde medizinische Versorgung
- Verbrennungen, Verbrühungen
- Flüssigkeitsmangel, Untergewicht, Mangelernährung
- Verletzungen im Intimbereich, blutige Unterwäsche, ungeklärte Geschlechtskrankheiten
- Druckstellen von Seilen, Schnallen oder Gürteln, Fesselspuren an Hand- und Fußgelenken
- scheu, verängstigt, schreckhaft
- sprachlos, teilnahmslos, zurückgezogen, depressiv, benommen
- verwirrt, aufgewühlt, übererregt, aggressiv, übertrieben respektvoll
- Schlafprobleme
- selbstverletzendes Verhalten
- plötzliche Veränderung des Appetits
- abwehrendes Verhalten bei der Pflege
- schmutzige oder kaputte Kleidung
- unsaubere, verwahrloste Wohnung
- Verschwinden von Geld oder Wertgegenständen wie Schmuck oder Geräte
- keine Kontrolle über das eigene Geld, plötzliche Änderung des Bankkontos
- überkontrollierende, überfürsorgliche Angehörige, defensives Auftreten
- widersprüchliche Erklärungen für Verletzungen
- medizinische Behandlungen in unterschiedlichen Einrichtungen
- unverhältnismäßig lange Zeit zwischen Verletzung und Behandlung
Tipps für pflegende Angehörige und professionell Pflegende
Mit Gewaltvorfällen umgehen
Wer unangemessenes Verhalten oder Gewalt gegen einen pflegebedürftigen Menschen beobachtet oder vermutet, muss etwas tun. Jede Person in ihrem Umfeld kann dazu beitragen. Die Anzeichen für Gewalt sind jedoch nicht immer eindeutig. Symptome können auch andere Ursachen haben. Daher ist es wichtig, aufmerksam zu sein und genau hinzuschauen. Einem Verdacht sollte immer nachgegangen werden. Dabei gilt es, individuell angemessen zu handeln. Professionell Pflegende sollten das Vorgehen mit den Vorgesetzten oder den für Gewaltprävention beauftragten Personen abstimmen. Bei akuter Gefahr gilt es, umgehend einzugreifen.
- Beobachtungen ansprechen
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Es fällt vielleicht schwer, einen Verdacht zu äußern und jemanden eventuell grundlos zu verdächtigen. Besonders schwierig ist es, wenn die Gewalt nicht direkt erkennbar ist. Aber: Es ist hierbei besser, einmal zu viel als einmal zu wenig aktiv zu sein. Wichtig ist es, sensibel vorzugehen.
- Sprechen Sie die pflegebedürftige Person einfühlsam und möglichst allein auf Ihre Beobachtungen an. Klären Sie, wie sie die Situation erlebt hat beziehungsweise wie es zu den Anzeichen für Gewalt gekommen ist. Hinweise für den Gesprächseinstieg bietet die Onlinehilfe www.befund-gewalt.de.
- Bieten Sie der pflegebedürftigen Person an, ihr zu helfen. Fragen Sie, ob Sie jemanden informieren oder einbeziehen sollen. Falls sich die Person nicht äußern kann: Informieren Sie die Angehörigen, die rechtliche Betreuerin oder den rechtlichen Betreuer.
- Holen Sie ärztliche Hilfe, etwa bei Verletzungen oder psychischem Schock.
- Sprechen Sie die Person an, die sich problematisch verhalten hat – möglichst sachlich, allein und in Ruhe. Vermeiden Sie Warum-Fragen. Hören Sie zu und urteilen Sie dabei nicht. Machen Sie aber deutlich, dass das Verhalten nicht akzeptabel ist und der Schutz der pflegebedürftigen Person im Mittelpunkt steht. Bieten Sie eventuell weitere Unterstützung an. Zum Beispiel könnten Sie fachliche Hilfe vermitteln, etwa eine Beratung.
- Holen Sie fachlichen Rat, wie Sie weiter vorgehen können. Eventuell können Sie sich auch mit einer vertrauten Person besprechen. Professionell Pflegende sollten das weitere Vorgehen mit den Vorgesetzten oder Beauftragten zur Gewaltprävention abstimmen.
- Bei akuter Gefahr eingreifen
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In eskalierenden Situationen und bei Gewaltvorfällen gilt es, sofort zu reagieren. Es geht dabei insbesondere darum, die Situation zu entschärfen und die pflegebedürftige Person zu schützen. Das eigene Verhalten kann viel dazu beitragen.
- Greifen Sie bei akuter Gefahr umgehend ein.
- Entschärfen Sie die Situation: Bleiben Sie ruhig. Vermeiden Sie bedrohliches, hektisches oder gereiztes Verhalten.
- Sprechen Sie die Person, die sich unangemessen verhält, ruhig und offen an, ohne zu schimpfen oder anzuklagen. Machen Sie aber deutlich, dass ihr Verhalten nicht akzeptabel ist.
- Trennen Sie die Beteiligten eventuell räumlich.
- Bringen Sie sich nicht selbst in Gefahr. Entfernen Sie beispielsweise Dinge in der Nähe, womit man schlagen oder werfen könnte. Achten Sie dabei auf ruhige Bewegungen.
- Holen Sie wenn möglich Hilfe – im Notfall die Polizei (110).
- Vermitteln Sie der pflegebedürftigen Person Verständnis, Schutz und Trost.
- Besprechen Sie den Vorfall, zeitnah und möglichst sachlich mit der Person, die übergriffig wurde. Nutzen Sie dafür einen ruhigen Moment und einen geschützten Rahmen. Hören Sie gut zu. Vermeiden Sie dabei Warum-Fragen. Verzichten Sie auf Belehrungen und Schuldzuweisungen. Machen Sie aber deutlich, dass sich die Situation nicht wiederholen darf.
- Regen Sie an, fachliche Hilfe zu nutzen, etwa eine Beratung. Vermitteln Sie eventuell geeignete Anlaufstellen.
Bei Konflikten zwischen Bewohnerinnen und Bewohnern
- Machen Sie deutlich, dass Sie die beteiligten Personen ernst nehmen. Werten Sie den Konflikt nicht ab.
- Gehen Sie dem Auslöser des Konflikts nach: Fragen Sie nach, worum es geht. Vermeiden Sie dabei Warum-Fragen. Das kann überfordern. Stellen Sie Fragen, die sich mit Ja oder Nein beantworten lassen.
- Sprechen Sie zunächst nur Aspekte an, die sich direkt lösen lassen. Bieten Sie konkrete Maßnahmen, Kompromisse oder Alternativen an.
- Bitten Sie eventuell auch um Verständnis für die Position oder das Verhalten der anderen Beteiligten. Erklären Sie beispielsweise, wenn das Verhalten ein Symptom einer Erkrankung ist.
- Informationen dokumentieren und weitergeben
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Es ist wichtig, Beobachtungen und Gewaltvorkommnisse sorgfältig zu dokumentieren. Das gilt insbesondere, wenn diese verantwortlichem Personal oder offiziellen Stellen gemeldet werden. Die Dokumentation des Vorfalls und Ergebnisse einer eventuellen ärztlichen Untersuchung sind zudem wichtig als Beweismittel für die Polizei oder bei Gericht.
- Halten Sie Ihre Beobachtungen möglichst sachlich, genau und nachvollziehbar fest: Was haben Sie wahrgenommen oder erlebt? Wann? Wo? Wer war beteiligt? Notieren Sie auch, was andere geschildert haben. Beschreiben Sie Gewaltfolgen, etwa die psychische Verfassung, Schmerzen oder Wunden. Professionell Pflegende sollten Gewaltfolgen in den Pflegebericht aufnehmen sowie Befunde in einem Wund- oder Verletzungsprotokoll festhalten. Kostenlose Vorlagen gibt es zum Beispiel auf www.befund-gewalt.de. Verletzungen sollten möglichst fotografiert werden – vorausgesetzt die pflegebedürftige Person ist damit einverstanden.
- Melden Sie Beobachtungen oder Gewaltvorfälle in der professionellen Pflege zügig an verantwortliches Personal. Je nach Situation kann das die zuständige Pflegefachperson, die Pflegedienstleitung, eine für Gewaltprävention beauftragte Person oder die Leitung der Organisation sein. Wenn Sie keine angemessene Reaktion feststellen, wenden Sie sich an den Träger der Organisation oder die Geschäftsleitung. Außerdem können Sie in einem Pflegeheim den Heimbeirat oder Angehörigenbeirat einbeziehen.
- Informieren Sie gegebenenfalls die Angehörigen der pflegebedürftigen Person, die rechtliche Betreuerin oder den rechtlichen Betreuer.
- Holen Sie fachlichen Rat ein, welche Stellen informiert werden sollten, wenn Sie unsicher sind, wie Sie vorgehen sollen.
- Informieren Sie bei anhaltenden Problemen offizielle Stellen. Das ist auch anonym und telefonisch möglich. Professionell Pflegende sollten mit den Vorgesetzten abstimmen, ob die Polizei informiert werden sollte. Dabei sind die Garanten- und Schweigepflicht gegenüber der pflegebedürftigen Person zu berücksichtigen.
- Als professionell Pflegende mit Vorfällen umgehen
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In der professionellen Pflege sollte jeder kritische wie gewaltsame Vorfall konstruktiv aufgearbeitet werden. Dabei sollte transparent und konsequent vorgegangen werden. Dies trägt auch dazu bei, Vorfällen künftig vorzubeugen.
- Regen Sie eine Fallbesprechung oder Kollegiale Beratung an.
- Gehen Sie möglichen Ursachen und Auslösern für gewaltsames Verhalten nach. Diese können verschiedenartig sein, zum Beispiel: Symptome einer Erkrankung bei pflegebedürftigen Menschen, Überforderung, mangelndes Bewusstsein, Zeitmangel bei Pflegenden.
- Bieten Sie Hilfe an. Vermitteln Sie bei Bedarf geeignete Beratung oder Unterstützung, etwa zur Entlastung.
- Regen Sie an, im Team über geeignete Handlungsmöglichkeiten zu sprechen, zum Beispiel: Strukturen und Prozesse anpassen, Supervision einführen, Schulungen anbieten, psychologische Hilfe nutzen.
- Tragen Sie dazu bei, dass fallbezogene vereinbarte Maßnahmen umgesetzt werden. Besprechen Sie diese regelmäßig in Teammeetings, um deren Wirksamkeit einzuschätzen und sie gegebenenfalls anzupassen. Weitergehende Schritte wie personelle Konsequenzen sollten durch die Leitung geprüft werden.
- Fachlichen Rat einholen
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Um bei Gewalt angemessen zu reagieren und Vorfälle aufzuarbeiten, ist der Rat von Fachleuten sinnvoll.
- Holen Sie Rat zum weiteren Vorgehen bei Gewaltvorfällen ein. Wenden Sie sich zum Beispiel an ein spezialisiertes Hilfetelefon, eine Beratungsstelle oder Beschwerdestelle. Die Hilfetelefone unterstützen auch im akuten Notfall.
- Regen Sie bei Vorfällen eine ärztliche Untersuchung und die Dokumentation von Verletzungen an. Rechtsmedizinische Untersuchungsstellen sind darauf spezialisiert. Kontaktdaten bietet die Deutsche Gesellschaft für Rechtsmedizin.
- Nutzen Sie Kurse oder Schulungen, die Ihnen helfen, mit Aggressionen und Gewalt möglichst gut umzugehen und zu deeskalieren.
Krisentelefone
Für akute Krisen in der Pflege gibt es spezialisierte Hilfetelefone. Sie beraten und unterstützen in schwierigen Situationen und bei Gewalt in der Pflege.
Dieses Krisentelefon ist aktuell für Sie verfügbar:
Mo und Do von 10–14 Uhr
Außerhalb der Sprechzeiten ist ein Anrufbeantworter geschaltet.
weitere KrisentelefoneMaterial zum Thema
Der ZQP-Kurzratgeber Gewalt gegen pflegebedürftige Menschen verhindern informiert über Anzeichen für Gewalt gegen pflegebedürftige Menschen. Zudem wird aufgezeigt, was man tun kann, wenn man entsprechende Vorkommnisse vermutet oder diese beobachtet hat.
Einblick
Gewalt gegen pflegebedürftige Menschen verhindern
Hinweise für die professionelle Pflege
Wissensressourcen zur Reaktion auf Gewalt
Bei Gewalt gegen pflegebedürftigen Menschen sind stationäre Pflegeeinrichtungen und ambulante Pflegedienste verpflichtet, Maßnahmen zu ihrem Schutz zu ergreifen. Professionell Pflegende haben die Pflicht, Gefahren für Leib, Leben und Freiheit von pflegebedürftigen Menschen abzuwenden (Garantenpflicht).
Das schließt den umgehenden Eingriff bei akuter Gefahr und einen hilfreichen Umgang mit Gewaltvorkommnissen ein. Diesen gilt es lösungsorientiert, transparent und konsequent aufzubereiten. Ein systematisches Vorgehen trägt auch dazu bei, Ursachen, Auslöser und Handlungsmöglichkeiten zu identifizieren. Darauf aufbauend können Maßnahmen zur Gewaltprävention abgeleitet werden. Daneben kann es notwendig sein, weitergehende Schritte einzuleiten, etwa Kündigung von Mitarbeitenden.
Das Vorgehen bei Gewaltvorfällen sollte im Team, mit Vorgesetzten oder für Gewaltprävention beauftragten Personen sowie mit der pflegebedürftigen Person und eventuell Angehörigen abgestimmt werden. Das betrifft zum Beispiel die Weitergabe von persönlichen Informationen und die Einbindung externer Stellen.
Dabei sind die Garantenpflicht und die Schweigepflicht individuell abzuwägen. Grundsätzlich gilt, dass der Wille der betroffenen Person ausschlaggebend ist. Die Schweigepflicht darf aber in manchen Fällen gebrochen werden: Wenn ein rechtfertigender Notstand vorliegt, etwa die Unversehrtheit von Leib, Leben oder Freiheit der Person gefährdet sind. Dabei gilt es, vertraulich vorzugehen und nur unbedingt erforderliche Informationen an relevante Personen oder Stellen weiterzugeben.
Zum Thema Gewalt in der Pflege bieten verschiedene Bildungsträger Schulungen für professionell Pflegende an. In Veranstaltungen vom Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) wird unter anderem zu Ursachen und zum Umgang mit Gewalt in der Pflege geschult. Die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) bildet zu den Themen Erstbetreuung bei Gewaltvorfällen und Konfliktmanagement fort.
Weitere Informationen für die Pflegepraxis
- Hochschule Fulda: Handlungsempfehlungen zum Vorgehen bei Gewalt in der häuslichen Pflege sowie zur Dokumentation (auch als Pocketversion)
- Online-Hilfe „Befund: Gewalt“: Informationen zur Identifikation und gerichtsverwertbaren Dokumentation von Gewaltfolgen sowie Vorlagen für Verletzungs- und Wundprotokolle
- Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes (ProPK): Informationen zu Straftaten und Opferschutz
- Bundesministerium der Justiz (BMJ): Informationen für Betroffene, Zeuginnen und Zeugen von Straftaten zu Rechten, Hilfen, Beratungsangeboten und Verfahrensablauf
- LMU München: Rechtsmedizinisches Beratungsangebot bei Gewaltverdacht
Der Umgang mit Aggression und Gewalt ist ein Aspekt des betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutzes. Stationäre Pflegeeinrichtungen und ambulante Pflegedienste sind verpflichtet, entsprechende Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten zu ergreifen. Information und Beratung dazu bietet die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW).