Demenz

Gewaltprävention und Demenz

Menschen mit Demenz haben ein hohes Risiko, Opfer von Gewalt zu werden. Das liegt unter anderem daran, dass sie sich krankheitsbedingt teilweise so verhalten, dass ihre Pflege besonders herausfordernd, anstrengend und erschöpfend sein kann. So kann eine Demenz mit massiver Unruhe, Aggressivität oder Enthemmung einhergehen. Pflegebedingte Belastungen sind ein Risikofaktor dafür, dass Pflegende gewaltsam gegen Menschen mit Demenz handeln. Zudem sind eigene Gesundheitsprobleme bedeutsam.

Was bedeutet Gewalt im Kontext Demenz?

Über aggressives und gewaltsames Verhalten im Zusammenhang mit der Pflege von Menschen mit Demenz wird eher ungern gesprochen. Dabei können sowohl Menschen mit Demenz als auch Pflegende Gewalterfahrungen machen – und zwar in allen Pflege-Settings. In der stationären Versorgung kommt es hierbei auch zu Gewalt zwischen pflegebedürftigen Personen, wobei bei Tätern und Täterinnen sowie Opfern zum Teil kognitive Beeinträchtigungen vorliegen.

Gewalthandlungen gegen Menschen mit Demenz müssen nicht absichtlich erfolgen und nicht zwangsläufig strafrechtliche Delikte darstellen. Sie beeinträchtigen jedoch in hohem Maße die Lebensqualität und die Gesundheit von Menschen mit Demenz, belasten häusliche Pflege-Settings und mindern nicht zuletzt die Qualität von professioneller Versorgung. Auch Angehörige sowie Fachpersonen aus dem Pflege- und Gesundheitsbereich können erheblich davon belastet sein, wenn sie Aggressionen oder Gewaltverhalten gegenüber Menschen mit Demenz wahrnehmen oder ihnen selbst herausforderndes Verhalten oder Gewalt widerfährt.

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Wie häufig kommt Gewalt gegen Menschen mit Demenz vor?

Gewalt gegen Menschen mit Demenz bleibt oft unbemerkt oder wird verkannt. Opfer sind aufgrund ihres kognitiven Status darin eingeschränkt, von Vorfällen zu berichten oder Hilfe zu suchen; ihnen wird zum Teil nicht geglaubt und entsprechende Übergriffe werden womöglich verharmlost. Auch deswegen bleiben Einschätzungen zu Häufigkeiten und den genauen Zusammenhängen des Phänomens ungenau. Dazu tragen weitere methodische Herausforderungen sowie Einschränkungen in Bezug auf die Güte der Studien bei. Entsprechende Ergebnisse müssen also vorsichtig interpretiert werden.

Angaben dazu, wie häufig Personen mit kognitiven Einbußen oder demenziellen Erkrankungen (zum Beispiel Alzheimer-Demenz) Opfer von Gewalt werden, reichen international von 0,3 bis 78,4 Prozent für die häusliche Pflege oder Versorgung beziehungsweise von 8,3 bis 78,3 Prozent für stationäre Pflegeeinrichtungen. Ältere Menschen mit geistigen Problemen werden demnach im Durchschnitt häufiger Opfer von Gewalt als die Allgemeinbevölkerung im selben Alter.

Was ist über Risikofaktoren für Gewalt gegen Menschen mit Demenz bekannt?

Demenz ist ein Risikofaktor dafür, Missbrauch, Misshandlung, Vernachlässigung oder Freiheitsentziehende Maßnahmen (FEM) zu erfahren. Für einzelne Gewaltformen ist der Zusammenhang zwischen Opferwerdungsrisiko und einer Demenz in Studien bisher nicht durchgängig identifiziert worden. Umgekehrt liefert eine japanische Längsschnittstudie Hinweise darauf, dass Opfer finanzieller Ausbeutung ein erhöhtes Risiko haben könnten, an einer Demenz zu erkranken.

Mehrere Studien zeigen einen Zusammenhang bestimmter Merkmale älterer pflegebedürftiger Menschen mit einem erhöhten Risiko, Opfer zu werden. Dies gilt insbesondere für kognitive Einbußen, herausforderndes Verhalten, funktionelle Verluste und psychische Probleme beziehungsweise Erkrankungen.

Studien, die darauf zielen, bestimmte Merkmale als Risikofaktoren für Gewaltverhalten von Pflegenden zu identifizieren, beziehen sich meist auf informell Pflegende. Diese Untersuchungen deuten vor allem auf einen Zusammenhang von Gewalthandlungen mit der pflegerischen Belastung („caregiver burden“), verschiedenen psychischen Problemen sowie Erkrankungen wie Erschöpfung, Substanzmittelmissbrauch und Depression.

Auch Beziehungsaspekte und andere Kontextfaktoren der Pflegesituation sind teilweise unter dem Gesichtspunkt ihrer Risikobedeutung für Konflikte und potenziell schädigendes oder gewaltsames Verhalten untersucht worden – mit bisher eher uneinheitlichen Ergebnissen.

Tipps für pflegende Angehörige

Gewalt gegen Menschen mit Demenz vorbeugen

Im Verlauf einer Demenz kann es zu herausfordernden Symptomen kommen. Dazu gehören zum Beispiel starke Unruhe, fortwährendes Rufen und Aggressivität. Dies kann Pflegende stark belasten und auch zu aggressiven Reaktionen zu führen. Wissen über den Umgang mit Symptomen und kritischen Situationen kann helfen, Gewalt und Konflikten vorzubeugen.

Zudem kann der passende Umgang den Verlauf einer Demenz teilweise positiv beeinflussen, sodass Symptome weniger ausgeprägt auftreten. Weitere Informationen dazu finden Sie auf unserer Themenseite zur Prävention bei Demenz.

Verständnis, Mitgefühl, Geduld und Respekt im täglichen Umgang tragen dazu bei, Aggressionen und kritische Situationen zu vermeiden.

  • Verhalten Sie sich freundlich, zugewandt und respektvoll.
  • Widersprechen, korrigieren, überreden, drängen oder bevormunden Sie nicht.
  • Vermitteln Sie Geborgenheit und Akzeptanz vermehrt durch Körpersprache und Körperkontakt.
  • Sorgen Sie für eine ruhige Atmosphäre. Vermeiden Sie Hektik und Zeitdruck. Organisieren Sie vorausschauend.
  • Vermitteln Sie Sicherheit: Berücksichtigen Sie Gewohnheiten und Rituale der pflegebedürftigen Person.
  • Behalten Sie möglichst die gewohnte Ordnung bei, etwa den Platz für die Brille.
  • Vermeiden Sie plötzliche Bewegungen und eventuell bedrohlich wirkende Handlungen: Achten Sie auf klare Abläufe. Kündigen Sie an und erklären Sie, was Sie tun.
  • Meiden Sie möglichst Situationen, die die Person stark verunsichern oder ängstigen. Zum Beispiel: Nutzen Sie den Aufzug, wenn eine Rolltreppe die pflegebedürftige Person verunsichert.

Einfühlungsvermögen sowie Wissen über Ursachen und Auslöser des veränderten Verhaltens tragen zu dessen Verständnis bei. Dies kann helfen, Aggressivität im Umgang mit Menschen mit Demenz vorzubeugen.

  • Informieren Sie sich über die vorliegende Form der Demenz sowie herausfordernde Symptome. Holen Sie fachlichen Rat zum Umgang damit ein. Auch ein Pflegekurs kann hilfreich sein. Wissen zu Demenz erhalten Sie zudem auf unserer Themenseite Demenz sowie im ZQP-Ratgeber Demenz.
  • Versuchen Sie herauszufinden, wann und warum das herausfordernde Verhalten auftritt. Sind es zum Beispiel Schmerzen? Ist es Angst, Langeweile, Hunger oder Harndrang? Sind zu viele Reize im Umfeld wie Hektik oder Lärm? Möglicherweise zeigen sich Muster in ähnlichen Situationen.
  • Fragen Sie gezielt nach. Stellen Sie einfache Fragen, auf die man mit Ja oder Nein antworten kann. Beobachten Sie auch Körpersprache und Tonfall.
  • Nehmen Sie Gefühle, Bedürfnisse und Beschwerden der pflegebedürftigen Person ernst. Zeigen Sie Anteilnahme. Übergehen Sie entsprechende Äußerungen nicht und schwächen Sie diese nicht ab.
  • Machen Sie passende Angebote, etwa gegen Hunger oder Schmerzen. Bieten Sie eine geeignete Beschäftigung an.
  • Tauschen Sie sich mit anderen aus, etwa in einer Selbsthilfegruppe für Angehörige von Menschen mit Demenz. Adressen erhalten Sie zum Beispiel bei den regionalen Alzheimer Gesellschaften.

Ein möglichst geeigneter Umgang mit kritischen Situationen hilft, Aggressionen zu vermeiden oder zu entschärfen.

  • Nehmen Sie negatives Verhalten nicht persönlich, zum Beispiel Abwehr oder Schimpfen.
  • Versuchen Sie, in aggressiven Situationen abzulenken, etwa durch Musik oder eine Beobachtung am Fenster. Suchen Sie Nähe, wenn Berührungen auf die pflegebedürftige Person beruhigend wirken. Oder umgekehrt: Halten Sie Abstand, falls diese als bedrohlich empfunden werden.
  • Gestehen Sie sich zu, manchmal vielleicht ungeduldig zu reagieren oder nicht weiter zu wissen. Lernen Sie Techniken, mit eigenen akuten Aggressionen umzugehen. Zum Beispiel: Schließen Sie in einem kritischen Moment kurz die Augen und atmen Sie dabei mehrmals langsam tief ein und wieder aus. Lenken Sie sich kurz ab. Zählen Sie langsam bis 10. Gehen Sie ein paar Schritte hin und her. Schütteln Sie sich kräftig. Oder lassen Sie kaltes Wasser über Ihre Unterarme laufen.
  • Verharmlosen Sie Ihr Verhalten nicht, wenn Sie doch einmal die Beherrschung verloren haben. Finden Sie die Ursachen heraus. Nutzen Sie Angebote zur Beratung, um solche Vorfälle künftig zu vermeiden. Hinweise dazu finden Sie auch bei den Tipps zur Gewaltprävention in der Pflege.
  • Beobachten und respektieren Sie Ihre Belastungsgrenzen. Überlastung kann eine Ursache für Wut, Ungeduld und aggressives Verhalten sein. Sorgen Sie für Erholung und Entlastung. Konkrete Hinweise finden Sie bei den Tipps zur Entlastung in der Pflege.

Unterschiedliche Maßnahmen tragen zum Schutz von Menschen mit Demenz bei. Welche geeignet sind, hängt von den Ursachen für Gefahren ab. Freiheitsentziehende Maßnahmen (FEM) sollten vermieden werden.

  • Versuchen Sie, Ursachen für Verhaltensweisen herauszufinden, die mit Gefahren verbunden sind.
  • Verringern Sie Gefahren im Haushalt: Verschließen Sie Feuerzeuge, Medikamente, Putzmittel oder scharfe Messer. Verwenden Sie technische Hilfsmittel oder Systeme wie Rauchmelder, Herdsicherung oder Wasserregulator.
  • Beugen Sie Stürzen vor: Unterstützen Sie zum Beispiel dabei, regelmäßig Kraft und Gleichgewicht zu stärken. Beseitigen Sie Hindernisse in der Wohnung. Weitere Hinweise finden Sie bei den Tipps zur Bewegungsförderung und Sturzprävention.
  • Beziehen Sie andere ein, wenn es unsicher ist, die pflegebedürftige Person allein zu lassen.
  • Bringen Sie einen Bewegungsmelder oder ein Windspiel an der Wohnungstür an. Dadurch können Sie bemerken, wenn die Tür geöffnet wird. Bitten Sie Personen in der Nachbarschaft, aufmerksam zu sein, falls die pflegebedürftige Person ungeschützt die Wohnung verlässt.
  • Verbergen Sie Sonden oder Katheter unter der Kleidung, wenn die pflegebedürftige Person diese immer wieder herauszieht.
  • Holen Sie fachlichen Rat ein, wie Sie freiheitsentziehende Maßnahmen (FEM) vermeiden können. Weitere Hinweise finde Sie in unseren Tipps zu Alternativen für FEM.

Fachliche Unterstützung kann helfen, mit Demenz möglichst gut umzugehen und kritischen Situationen entgegenzuwirken. Pflegende Angehörige können sich zum Beispiel an Pflegefachpersonen und Beratungsstellen in der Pflege sowie an Hausärzte und Hausärztinnen wenden.

  • Holen Sie fachärztlichen Rat zum Krankheitsbild Demenz, zur Therapie und zum Umgang mit krankheitsbedingtem Verhalten ein. Wenden Sie sich dazu an einen Facharzt oder eine Fachärztin für Gerontopsychiatrie oder Neurologie, zum Beispiel in einer Gedächtnissprechstunde. Adressen finden Sie bei der Deutschen Alzheimer Gesellschaft und der Alzheimer Forschung Initiative. Informieren Sie sich dort auch über Möglichkeiten, die Fähigkeiten, das Wohlbefinden und die Gesundheit von Menschen mit Demenz zu fördern. Anregungen finden Sie auch bei den Tipps zur Prävention bei Demenz.
  • Nutzen Sie Pflegekurse und Schulungsangebote für pflegende Angehörige. Dort wird unter anderem Wissen zur Pflege von Menschen mit Demenz und zum Umgang mit herausfordernden Pflegesituationen vermittelt.
  • Nehmen Sie professionelle Beratung zur Pflege in Anspruch, etwa zur Organisation der Pflege und zu Entlastungsangeboten. Informieren Sie sich dort auch über Ursachen, Risiken und Anzeichen für Gewalt in der Pflege. Wenden Sie sich bei akuten Konflikten und in Krisensituationen an ein spezialisiertes Krisentelefon.

Material zum Thema

Der ZQP-Ratgeber Gewalt vorbeugen bietet konkrete Anregungen zum Umgang mit Aggressionen und zur Vorbeugung von Gewalt.

Titelseite der Broschüre „Gewalt vorbeugen – Praxistipps für den Pflegealltag“

Ratgeber

Gewalt vorbeugen – Praxistipps für den Pflegealltag

Hinweise für die professionelle Pflege

Wissensressourcen zur Prävention von Gewalt gegen Menschen mit Demenz

Zur Prävention von Gewalt gegenüber Menschen mit Demenz in der professionellen Pflege bedarf es zum einen Wissen und Handlungskompetenzen bei Pflegenden. Zudem sind geeignete Prozesse und Strukturen in Pflegeeinrichtungen wesentlich. Das ZQP bietet praxisnahe und wissenschaftsbasierte Informationen und Materialien für die professionelle Pflege an.

Schulungsmaterial für die professionelle Pflege

Das ZQP stellt Schulungsmaterial zur Gewaltprävention für die professionelle Pflege bereit. Es umfasst unter anderem Präsentationsfolien und Arbeitsblätter für Schulungen, Poster für Pflegeeinrichtungen und Pflegedienste sowie eine Broschüre für professionell Pflegende.

Zuletzt aktualisiert: 24.07.2024 Nächste vollständige Überarbeitung: 31.12.2027