Projekt

Sicherheitskultur im ambulanten Pflegesetting (Präventionsprojekt „PriO-a”)

Über das Projekt

Die Sicherheitskultur der professionellen Pflege ist hochrelevant für den Gesundheitsschutz pflegebedürftiger Menschen und eine Grundlage von Pflegequalität. Im Präventionsprojekt PriO-a unterstützt das ZQP bundesweit 14 Pflegedienste bei der Stärkung ihrer Sicherheitskultur. Dabei wird unter anderem ein zentrales, digitales Berichts- und Lernsystem für die Pflege (Pflege-CIRS) entwickelt. PriO-a ist partizipativ und nachhaltig angelegt.

Projektdetails:

Status: Laufend
Laufzeit: 2022 - 2025

Was ist Sicherheitskultur in der Pflege?

Mit Sicherheitskultur in der Pflege sind Eigenschaften, Haltungen, Werte und Kompetenzen von Organisationen und Personen gemeint, die zur Pflegesicherheit beitragen. Eine positive Sicherheitskultur zeigt sich unter anderem in einem offenen, konstruktiven Umgang mit Risiken und kritischen Ereignissen, wie zum Beispiel Fehlern.

Wieso wird das Projekt durchgeführt?

Pflegebedürftige Menschen sind in der pflegerischen Versorgung zum Teil erheblichen gesundheitlichen Risiken ausgesetzt, zum Beispiel bei der Medikation, Wundversorgung, Ernährung oder Hygiene. Auch Gewaltvorkommnisse stellen ein bedeutsames Gesundheitsrisiko für sie dar.

Zur Prävention beziehungsweise Verringerung solcher Risiken trägt die Sicherheitskultur in der professionellen Pflege bei. Sie fördert zudem die Zusammenarbeit und das Lernen voneinander im Team. Dadurch können die Pflegesicherheit, die Pflegequalität sowie die Arbeitszufriedenheit Pflegender verbessert werden. Jedoch ist Sicherheitskultur in der Pflege in Deutschland bisher kaum etabliert.

Übergeordnetes Ziel von PriO-a ist es, die Sicherheitskultur in der professionellen Langzeitpflege zu stärken, um die Gesundheit pflegebedürftiger Menschen möglichst gut zu schützen und die Arbeitszufriedenheit der Mitarbeitenden zu fördern. Hierbei wird zunächst der Fokus auf ambulante Pflegedienste gelegt. Dazu gilt es,

  • Wissen und Kompetenzen zu Sicherheitskultur und Pflegesicherheit zu vermitteln
  • Risikobewusstsein, Reflexion und Lernen aus Ereignissen zu fördern
  • vertrauensbasierte Kommunikation und Zusammenarbeit im Team zu stärken.

Neben organisationsbezogenen Maßnahmen wird – über bereits bestehendes ZQP-Schulungsmaterial zu Sicherheitskultur in der Pflege hinaus – weiteres Arbeitsmaterial erstellt. Zudem wird ein einrichtungsübergreifendes webbasiertes Berichts- und Lernsystem – das Pflege-CIRS –  für ambulante und stationäre Pflegeeinrichtungen entwickelt. Das Arbeitsmaterial und das Pflege-CIRS werden über eine Webseite des ZQP frei zugänglich sein.

Praxisbegleitung

Das ZQP begleitet 14 Pflegedienste über 3,5 Jahre bei der Stärkung ihrer Sicherheitskultur. Das Vorgehen folgt dem Modell des „Gesundheitsförderungsprozesses“, das im Leitfaden Prävention in stationären Pflegeeinrichtungen des GKV Spitzenverbands zur Implementierung präventiver und gesundheitsfördernder Maßnahmen empfohlen wird. Kernaspekte sind, die Zielgruppen einzubeziehen (Partizipation), sie zu stärkerer Eigenverantwortung zu befähigen (Empowerment) sowie langfristige Wirksamkeit zu erzielen (Nachhaltigkeit).

Die Begleitung in den Pflegediensten umfasst unter anderem:

  • Inhouse-Schulungen zum Thema Sicherheitskultur
  • Systematische Bestandsaufnahmen zur Sicherheitskultur in den Pflegediensten, Auswertung
  • Entwicklung und Bereitstellung von Informations-/Interventionsmaterial
  • Unterstützung bei der organisationsbezogenen Maßnahmenplanung und -umsetzung
  • Evaluation

Entwicklung Arbeitsmaterial und Pflege-CIRS

In die Entwicklung des Arbeitsmaterials sowie des Pflege-CIRS sind verschiedene Partner aus der Pflegepraxis, aus Verbänden und aus der Wissenschaft einbezogen. Es wird zudem auf wissenschaftliche Vorarbeiten des ZQP wie der internationalen Literaturanalyse zu Sicherheitskultur und Pflegesicherheit zurückgegriffen.

Praxisbegleitung

Derzeit befindet sich das Praxisprojekt in der Umsetzungsphase. Das heißt, die teilnehmenden Pflegedienste verwirklichen die geplanten Maßnahmen zur nachhaltigen Stärkung ihrer Sicherheitskultur. Der Projektverlauf wird regelmäßig evaluiert. Dabei werden der Umsetzungsgrad der Maßnahmen, die Erreichung der Ziele und Anpassungsbedarfe geprüft. Die Pflegedienste werden in Einzelterminen vor Ort sowie mittels digitaler Projekttreffen und Themenworkshops begleitet.

Im November 2024 findet das dritte Netzwerktreffen für die Vertreterinnen und Vertreter der teilnehmenden Pflegedienste im ZQP statt. Im Mittelpunkt stehen der Erfahrungs- und Informationsaustausch, die Präsentation erster Projektergebnisse und die Ablaufplanung zur Abschlussevaluation. Zudem wird der Entwicklungsstand des Pflege-CIRS vorgestellt.

Entwicklung Arbeitsmaterial und Pflege-CIRS

Die Konzeption des Arbeitsmaterials und des Pflege-CIRS ist abgeschlossen. Das Arbeitsmaterial wird derzeit textlich und gestalterisch entwickelt. Die technische Umsetzung des Pflege-CIRS ist weit fortgeschritten. Es haben Nutzertests stattgefunden, an denen sich Mitarbeitende der teilnehmenden Pflegedienste, weitere Pflegeeinrichtungen aus der professionellen Langzeitpflege und Projektpartner beteiligt haben. Getestet wurden die Bedienbarkeit, Verständlichkeit und Gestaltung der CIRS-Webseite. Die Rückmeldungen sind in den Entwicklungsprozess eingeflossen.

Was ist ein CIRS?

Allgemein sind Berichts- und Lernsysteme (Critical Incident Reporting Systems) Instrumente, um kritische Ereignisse anonym zu berichten, zu dokumentieren, zu analysieren und schließlich mit fachlichen Empfehlungen zu kommentieren. Dies bietet die Möglichkeit, Erfahrung und Wissen mit Kolleginnen und Kollegen zu teilen – und diese zu nutzen, um das Risikobewusstsein in dem Arbeitsbereich zu stärken, entsprechende kritische Ereignisse künftig zu prävenieren oder möglichst angemessen damit umzugehen. CIRS haben nicht den Zweck, Fehler zu zählen oder Rückschlüsse auf die Qualität von Einrichtungen zu ziehen. Grundsätzlich sind zwei CIRS-Typen zu unterscheiden: Einrichtungsübergreifende CIRS sind in der Regel frei oder im Rahmen eines Verbundes von Organisationen frei zugänglich. Organisationsinterne CIRS sind nur für deren Mitglieder zugänglich.

Wieso soll es ein Pflege-CIRS geben?

CIRS werden heute in Arbeitsbereichen mit hohem Risikopotenzial hinsichtlich der gesundheitlichen Sicherheit von Menschen vorausgesetzt. Sie sind etwa in der Luftfahrt und in Krankenhäusern ein obligatorisches Instrument des Risikomanagements und deren Anwendung ein Aspekt der Sicherheitskultur.

In der Langzeitpflege in Deutschland sind CIRS, sowie das Thema Sicherheitskultur insgesamt, bisher nahezu fremd. Obwohl auch dieser Bereich mit hohen Sicherheits- bzw. Gesundheitsrisiken für die pflegebedürftigen Menschen einhergeht. Ein Pflege-CIRS hat das Potenzial, Sicherheits- und Gesundheitsrisiken in der professionellen Pflege zu reduzieren.

Seit Kurzem gibt es einige Initiativen und Projekte zur Sensibilisierung für Sicherheitskultur in der Pflege, zu deren Förderung sowie zur Implementierung entsprechender Instrumente. Unter anderem wurde im Rahmen der Konzertierten Aktion Pflege (KAP) die Entwicklung und Implementierung eines bundesweiten, einrichtungsübergreifenden Berichts- und Lernsystems für die Langzeitpflege vereinbart. Allerdings gibt es keine konkreten gesetzlichen Anforderungen hierzu. Konsens ist, dass die Einführung von CIRS nur auf Grundlage eines Kulturwandels hin zu einer positiven Sicherheitskultur in den Einrichtungen sinnvoll voranzubringen ist. Vor diesem Hintergrund entwickelt das ZQP das Pflege-CIRS.

Das Pflege-CIRS soll für Gesundheitsrisiken pflegebedürftiger Menschen in der professionellen Langzeitpflege sensibilisieren und zu einem konstruktiven Umgang mit kritischen Ereignissen beitragen. Es soll einrichtungsübergreifendes Lernen unterstützen und Veränderungsprozesse anstoßen. Dies soll zur Stärkung der Sicherheitskultur und der Pflegesicherheit beitragen.

Das Pflege-CIRS wird frei über eine Webseite des ZQP zugänglich und über verschiedene Endgeräte, z. B. Smartphones, Tablets, Desktop-PCs, nutzbar sein. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen können dort anonym und freiwillig über kritische Ereignisse berichten – egal ob beobachtete oder selbst erlebte. Ein Team aus Expertinnen und Experten des ZQP befasst sich mit den Berichten und erstellt hierzu spezifische sowie allgemein übertragbare fachliche Empfehlungen. Die Berichte werden dann mit den Empfehlungen vollständig anonymisiert veröffentlicht. Eine Verbindung zu einer Pflegeeinrichtung oder einzelnen Personen kann somit nicht hergestellt werden. Es werden keine Daten vom ZQP an Dritte weitergegeben. Darüber hinaus wird die CIRS-Webseite weitere pflegesicherheitsrelevante Informationen und Materialien für die Pflegepraxis bereitstellen.

Das Pflege-CIRS wird in einem mehrstufigen, partizipativen Prozess entwickelt, an dem Projektpartner des ZQP beteiligt sind. Auf Basis einer Literaturrecherche des ZQP zur Nutzung von Berichts- und Lernsystemen im deutsch- und englischsprachigen Raum in der Pflege und Medizin wurden zunächst relevante Aspekte identifiziert. Diese finden insbesondere bei der Entwicklung der Eingabemaske und der Konzeption der fachlichen Empfehlungen Berücksichtigung. Der Entwicklungsprozess umfasst zudem die juristische Beratung, die Einbindung von UX-Expertinnen und Experten sowie Testphasen, an denen u. a. Pflegende und Leitungskräfte beteiligt sind.

Das Pflege-CIRS steht voraussichtlich im Frühjahr 2025 zur kostenfreien Anwendung über die ZQP-Webseite bereit.

Das Pflege-CIRS ist:

✓ anonym | vertraulich
✓ konstruktiv | unterstützend
✓ fundiert | systematisch
✓ einfach | nützlich

Projektbeteiligte

Am Praxisprojekt PriO-a beteiligen sich verschiedene Partner aus Verbänden, der Pflegepraxis und aus der Wissenschaft.

 

  • Verbände der Pflegeanbieter
    − AWO Bundesverband e. V. (AWO)
    − Deutscher Caritasverband e. V. (DCV)
    − Diakonie Deutschland – Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e. V. (EWDE)
    − Deutsches Rotes Kreuz e. V. (DRK)
    − Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband – Gesamtverband e. V. (Der Paritätische)
    − Arbeitgeber- und BerufsVerband Privater Pflege e. V. (ABVP)
    − Arbeitsgemeinschaft Privater Heime und Ambulanter Dienste Bundesverband e. V. (APH)
    − Bundesarbeitsgemeinschaft Hauskrankenpflege e. V. (B.A.H.)
    − Bundesverband Ambulante Dienste und Stationäre Einrichtungen e. V. (bad)
    − Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e. V. (bpa)
    − Verband Deutscher Alten- und Behindertenhilfe e. V. (VDAB)
  • Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe e. V. (DBfK)
  • Aktionsbündnis Patientensicherheit e. V. (APS)

Bundesweit nehmen 14 ambulante Pflegedienste am Projekt teil:

  • Ambulanter Pflegedienst Dr. Muschinsky, Bad Lauterberg/Harz, Niedersachsen
  • Ambulanter Pflegedienst „Im Park“, Ribnitz-Damgarten, Mecklenburg-Vorpommern
  • Arbeiterwohlfahrt Kreisverband Wittenberg e. V. „Sozialstation und Tagespflege“, Lutherstadt Wittenberg, Sachsen-Anhalt
  • ASB ambulante Pflege Bottrop, Nordrhein-Westfalen
  • ASB Sozialstation Wandsbek, Hamburg
  • AWO Pflege- und Betreuungs gGmbH Ambulanter Pflegedienst, Neubrandenburg, Mecklenburg-Vorpommern
  • Caritas-Sozialstation Dortmund Innenstadt Süd-West, Nordrhein-Westfalen
  • Diakoniesozialstation Bad Tabarz, Thüringen
  • Diakoniestation Reutlingen, Baden-Württemberg
  • Integrationsmodell Ortsverband Essen e. V., Nordrhein-Westfalen
  • Johannisches Sozialwerk e.V. Sozialstation Jüterbog, Brandenburg
  • Johanniter-Unfall-Hilfe e. V. Regionalverband Ostwürttemberg Dienststelle Esslingen, Baden-Württemberg
  • Mobiler Pflegeservice Kiel OGH, Schleswig-Holstein
  • Regens-Wagner-Lautrach Ambulante Pflege, Memmingen, Bayern

Ansprechpartnerinnen:

  • Katrin Havers, Teamleiterin Pflegesicherheit, Projektleitung PriO-a
  • Sandra Garay, wissenschaftliche Mitarbeiterin
  • Kristin Krieger, wissenschaftliche Mitarbeiterin
  • Nadja Möhr, wissenschaftliche Mitarbeiterin

Kontakt: sicherheitskultur@zqp.de

 

Externe Unterstützung:

  • Inhouse-Schulungen zur Sicherheitskultur: Anja Gerlach, Pflegewissenschaftlerin
  • Begleitung der Pflegedienste vor Ort: „miteinander reden“, Organisationsberatung
  • Rechtsberatung bei der Entwicklung des Pflege-CIRS: Prof. Ronald Richter, Rechtsanwalt