11. März 2019

Gefährliche Erreger fordern Hygienemanagement in ambulanter Pflege heraus

Antibiotikaresistente Erreger wie MRSA-Bakterien stellen nicht nur Krankenhäuser, sondern auch ambulante Pflegedienste vor erhebliche Herausforderungen. Eine neue Studie zeigt, offenbar fehlt es in manchen Diensten am richtigen Umgang: ein Risiko für Pflegebedürftige – und das Gesundheitssystem.

Berlin, 11. März 2019. Ältere pflegebedürftige Menschen sind oft besonders gefährdet, durch MRSA-Bakterien schwerwiegende gesundheitliche Schäden zu erleiden oder als deren Träger solche Problemkeime zum Beispiel im Krankenhaus weiterzugeben. In diesem Zusammenhang wird die Rolle zunehmend bedeutsamer, die ambulante Pflegedienste unter anderem bei der Besiedlungs- sowie Infektionsvorbeugung für Patienten und damit auch für das ganze Gesundheitssystem spielen. Derzeit sind ambulante Dienste an der Versorgung von 830.000 Pflegebedürftigen beteiligt – das entspricht knapp einem Viertel aller pflegebedürftigen Menschen in Deutschland. Von 2003 bis heute ist die Zahl der Menschen, die von Pflegediensten versorgt werden, um 84 Prozent gestiegen.

Laut einer Analyse des Zentrums für Qualität in der Pflege (ZQP) war 2016 deutschlandweit in etwa jedem zweiten nicht spezialisierten Pflegedienst von mindestens einem Mitarbeiter bekannt, dass dieser in den zurückliegenden 12 Monaten mit Problemkeimen bei Pflegebedürftigen konfrontiert gewesen war. Die Dunkelziffer dürfte höher liegen. In 95 Prozent der benannten Fälle handelte es ich nach Auskunft des Dienstes um MRSA-Bakterien.

Dr. Ralf Suhr, Vorstandsvorsitzender des ZQP, hält daher fest: „Die fachgerechte Umsetzung von Hygiene-Maßnahmen in ambulanten Diensten insbesondere im Umgang mit pflegebedürftigen Menschen, die von Problemkeimen betroffen sind, ist ein wichtiger Faktor für deren Sicherheit aber auch für die Sicherheit anderer Patienten im Versorgungsystem.“ Denn die Qualität des Hygienemanagements eines Dienstes kann oft erheblich dazu beitragen, dass besiedelte Patienten von diesen Erregern erfolgreich befreit und Keime nicht weiterverbreitet werden.

Eine aktuelle Studie des ZQP und der Charité – Universitätsmedizin Berlin liefert nun deutliche Hinweise, wie groß die Herausforderung MRSA für das Hygiene-Management von ambulanten Diensten offenbar teilweise ist. Insgesamt kommen die Autoren in ihrem Beitrag für die wissenschaftliche Fachzeitschrift ZEFQ zu dem Ergebnis, dass statistisch in nur etwa 50 Prozent von MRSA-Fällen – bei den in die Untersuchung eingeschlossenen ambulanten Diensten – eine fachgerechte MRSA-Versorgung erfolgen kann. Denn: In jeweils fast einem Drittel der teilnehmenden Dienste fehlte ein festes MRSA-Sanierungsschema (29,3 Prozent) bzw. gab es kein Protokoll für MRSA-Sanierung (28,7 Prozent). In den Diensten, in denen solche Strukturen etabliert waren, fehlte den Mitarbeitenden teilweise die Kenntnis darüber. So waren dort  25,6 Prozent der Befragten das vorhandene Sanierungsschema nicht bekannt – das Sanierungsprotokoll 26,8 Prozent.

Die Untersuchung legt darüber hinaus nahe, dass sich regelmäßig durchgeführte Hygieneschulungen positiv auf das Hygienemanagement auswirken. Bei denjenigen Pflegekräften, die an einer entsprechenden Schulung innerhalb der letzten 12 Monate teilnahmen, waren die Kenntnisse über das Vorhandensein von festen MRSA-Sanierungsschemata, Sanierungsprotokollierung und Verfahrensanweisungen zum Umgang mit speziellen Erregern besser als bei den anderen Befragten.

In Anbetracht dieser Ergebnisse betont Dr. Ralf Suhr vom ZQP, der Mitautor des wissenschaftlichen Beitrags ist: „Fortbildungen für Pflegekräfte sind für das gesamte Thema Patientensicherheit von erheblicher Bedeutung – das zeigt sich auch beim Hygienemanagement.“ Dienste und Einrichtungen müssten darum sicherstellen, dass die Mitarbeitenden ihr Wissen häufig genug auffrischen können. Darüber hinaus fordert Suhr eine konstruktive Kultur im Umgang mit unerwünschten Ereignissen und Fehlern in der Pflege zu schaffen: „Fehler werden gemacht – aber man muss aus ihnen lernen können und dürfen.“

Hintergrundinformationen

Was macht MRSA-Erreger problematisch?

Unter anderem bei pflegebedürftigen Menschen besteht ein erhöhtes Risiko, dass sich Bakterien schnell im Körper ausbreiten. Dies kann zu schweren Komplikationen führen wie Atem- und Harnwegsinfektionen, Wundinfektionen und Sepsis. Bakterielle Infektionen lassen sich mit Antibiotika – von denen es nur eine begrenzte Anzahl gibt – eigentlich gut behandeln. Allerdings haben manche Erreger bereits Resistenzen gegen einzelne dieser Medikamente entwickelt. Das bedeutet, die Erreger lassen sich nicht mehr erfolgreich von diesem speziellen Wirkstoff bekämpfen.

Besonders problematisch sind solche Resistenzen, wenn sie gegen mehrere unterschiedliche Antibiotika bestehen. Dies ist der Fall bei den multiresistenten Erregern. Einer von ihnen ist der Methycilin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA). Gegen multiresistente Erreger gibt es kaum noch wirksame Medikamente. Für die Behandlung muss dann auf sogenannte Reserve-Antibiotika zurückgegriffen werden. Je häufiger solche jedoch eingesetzt werden, umso größer ist die Gefahr, dass auch gegen diese Antibiotika neue Resistenzen entstehen. Da die Erreger ihre Resistenzen auch an andere Arten von Bakterien weitergeben können, weitet sich das Problem zunehmend aus.

Was ist MRSA?

MRSA-Erreger (Methycilin-resistenter Staphylococcus aureus) werden vor allem durch direkten körperlichen Kontakt verbreitet, insbesondere über die Hände aber auch durch Niesen, über die Kleidung, die Bettwäsche, Türklinken oder andere Oberflächen.

Wenn jemand MRSA trägt, spricht man von einer Besiedlung dieser Person. Ohne einen Labortest ist die Besiedlung nicht nachzuweisen. Wenn eine Besiedelung vorliegt, ist eine sogenannte MRSA-Sanierung möglich. Ziel dabei ist, alle MRSA-Bakterien von Haut und Schleimhäuten des Trägers zu entfernen. Dieses wird erschwert, wenn „sanierungshemmende“ Faktoren vorliegen. Das sind zum Beispiel chronische Wunden oder künstliche Zugänge in den Körper, etwa Katheter.

Eine Besiedlung ist nicht für alle Menschen gleich gefährlich. Bei Menschen mit einem geschwächten Immunsystem kann MRSA leicht Infektionen verursachen, die zum Beispiel zu Geschwüren, Lungenentzündungen oder zu Sepsis bis hin zum Tod führen können.

Methodik und Vorgehensweise bei der ZQP-Charité-Studie

Für die deutschlandweite Querschnittsstudie wurde bei Mitarbeitenden von ambulanten Pflegediensten eine anonyme schriftliche Befragung per Fragebogen durchgeführt. Dazu wurden die zurückgesendeten Fragebögen mit dem Statistikprogramm SPSS quantitativ ausgewertet.

Von insgesamt 480 zufällig ausgewählten Pflegediensten konnten 107 Pflegedienste aus dem gesamten Bundesgebiet für die Teilnahme gewonnen werden. Von insgesamt 656 Mitarbeitenden wurden ausgefüllte Fragebögen zurückgesandt.

Aus der Gesamtstudie sind die der Presseinformation zugrunde liegenden Ergebnisse in der Zeitschrift für Evidenz, Fortbildung und Qualität im Gesundheitswesen (ZEFQ) 2018 veröffentlicht worden: https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S1865921718301120.