Interview

"Unsere Mission ist der zielgruppengerechte Wissenstransfer"

Regelmäßig erreichen das ZQP Zuschriften von Menschen, die Rat und Hilfe zur Pflege suchen. Welche sind das? Und wie geht das ZQP damit um? Daniela Sulmann gibt Antworten hierauf. Sie ist Geschäftsleiterin und Pflegeexpertin in der Stiftung.

Frau Sulmann, was sind das für Zuschriften, die das ZQP erreichen?

Wir bekommen im ZQP regelmäßig E-Mails, aber auch Briefe mit Fragen oder Problemen rund um das Thema Pflege. Meist sind es Angehörige von pflegebedürftigen Menschen, aber auch Mitarbeitende von Pflegeeinrichtungen und -diensten, Beratungsstellen oder Verbänden, die sich an uns wenden. Die Inhalte reichen von pflegefachlichen über leistungs- und berufsrechtliche Fragen bis hin zu Beschwerden über Pflegeanbieter. Auch hochproblematische Pflegesituationen, Last und Kummer werden offenbart.

Können Sie Beispiele nennen?

Häufig geht es um Schwierigkeiten zwischen Angehörigen pflegebedürftiger Menschen und professionellen Pflegeanbietern: Enttäuschte Erwartungen, mangelnde Kommunikation, Unzuverlässigkeit, Misstrauen und Schuldfragen sind typische Themen. Praktisch bezieht sich dies oftmals auf die Bereiche Ernährung, Medikation, freiheitsentziehende Maßnahmen und Schmerzen. Bei Zuschriften, die uns von Angehörigen oder Pflegebedürftigen erreichen, fällt auf, dass oft nicht klar ist, welche Stellen für ihre Fragen oder Probleme die richtigen Ansprechpartner sind. Oder sie hatten sich bereits erfolglos an mehrere Stellen gewandt, das heißt, sie fühlen sich nicht ausreichend unterstützt. Ein typisches Thema sind örtlich fehlende Angebote zur Unterstützung bei der Pflege – vor allem Kurzzeitpflegeplätze und Entlastung im Alltag. Daneben zeigen sich teils heftige innerfamiliäre Konflikte sowie Probleme mit rechtlichen Betreuerinnen und Betreuern. Zuschriften von Kolleginnen und Kollegen aus dem Pflegeumfeld zielen meist auf konkrete Fachfragen ab, etwa auf die Umsetzung eines Gewaltschutzkonzeptes in einer Einrichtung.

„Ein typisches Thema sind örtlich fehlende Angebote zur Unterstützung bei der Pflege – vor allem Kurzzeitpflegeplätze und Entlastung im Alltag.“

Wie gehen Sie im ZQP damit um?

Wir nehmen die Anfragen an uns sehr ernst. Unser Anspruch ist es, alle möglichst hilfreich und zeitnah zu beantworten – und zwar sachlich und gleichzeitig empathisch. Individuell beraten können wir aber nicht, denn dies ist nicht Aufgabe des ZQP. So versuchen wir, zumindest sehr konkrete weiterführende Informationen oder pflegefachliche Hinweise zu den einzelnen Anliegen zu geben. Natürlich können wir auch keine Einschätzungen zur Qualität von einzelnen Pflegeeinrichtungen und -diensten geben oder bestimmte Anbieter empfehlen. Ausgeschlossen sind außerdem Einschätzungen zu rechtlichen Fragen, hierfür haben wir keinen Auftrag und auch keine Kompetenzen im ZQP. Gut ist, dass wir gegebenenfalls an Expertinnen und Experten aus unserem Netzwerk vermitteln können.

Welche Schlussfolgerungen ziehen Sie daraus?

Erst einmal ist zu sagen, dass sich natürlich allein aus den Zuschriften keine verallgemeinerbaren Schlussfolgerungen oder gar ein allgemeiner Handlungsbedarf ableiten lassen. Denn diese sind nicht repräsentativ. Das Bild kann zudem verzerrt sein, da sich möglicherweise gerade Menschen mit einem erhöhten Leidensdruck an uns wenden. Gleichwohl geben sie wertvolle Hinweise auf vielfältige Herausforderungen, die mit Pflegesituationen einhergehen können. Teilweise ergänzen oder vertiefen die Schilderungen wissenschaftliche Befunde. Das gilt zum Beispiel für den Zugang und die Inanspruchnahme von Informationen, Beratung und weiteren Unterstützungsangeboten für hilfe- bzw. pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen. Und hier sehe ich auf jeden Fall Handlungsbedarf, beides weiter zu verbessern.

Aber es gibt doch vielfältige Angebote für Angehörige und pflegebedürftige Menschen, oder?

Ja, so ist es. Mittlerweile gibt es in Deutschland vielfältige gesetzliche Leistungen und vielerorts auch ein breites Informations- und Hilfeangebot rund um die Pflege. Gleichzeitig sehen wir, dass diese Angebote zum Teil nicht in Anspruch genommen werden. Das hat unterschiedliche Gründe – vielfach werden die Angebote gar nicht gekannt, nicht gefunden oder sie greifen nicht am richtigen Punkt. Mitunter stehen Ratsuchende in einem Pingpong-Feld zwischen verschiedenen Stellen. Zudem stehen mancherorts einige Angebote nur sehr begrenzt oder fast gar nicht zur Verfügung. Damit möchte ich sagen, dass wir in Deutschland noch intensiver daran arbeiten sollten, Informationen und Angebote zur Pflege noch besser auf die Zielgruppe auszurichten. Das bedeutet unter anderem, breit, systematisch und verständlich zu informieren. Ein wichtiger Aspekt ist die Begleitung von Ratsuchenden, um individuell geeignete Hilfen auch zu finden. Es gibt gute Ansätze und auch Instrumente hierfür – aber meiner Einschätzung nach fehlt es hier noch an einer umfassenden Realisierung. Das ist natürlich kein neues Thema – aber ein fortwährendes, das angesichts der Pflegekrise immer mehr an Bedeutung – ich möchte sogar sagen Brisanz – gewinnt.

Und inwiefern arbeitet das ZQP an diesem Thema?

Das ist facettenreich und betrifft sowohl die Forschung als auch die Praxisprodukte. Wir tragen im ZQP unter anderem dazu bei, die Situation und Bedürfnisse pflegender Angehöriger und pflegebedürftiger Menschen besser zu erforschen. Dies kann helfen, Angebote zielgruppengerecht zu gestalten. Für die Beratungspraxis bieten wir beispielsweise Instrumente an, die helfen sollen, individuelle Belastungen, Risiken und Ressourcen zu identifizieren, um die Angebote dann gezielt darauf auszurichten. Zudem haben wir ein umfangreiches Informationsangebot zum Thema Pflege. Wir bieten zum Beispiel pflegepraktische Ratgeberhefte an.

Was leiten Sie noch für die Arbeit des ZQP ab?

Sowohl methodisch als auch inhaltlich und in Bezug auf Formate arbeiten wir ständig an unserem recht umfangreichen Informationsangebot, insbesondere für Pflegende. Dabei ist unsere Mission der zielgruppengerechte Wissenstransfer. Dazu gehören drei wesentliche Grundsätze: Das sind erstens Relevanz für Pflegende, zweitens fachliche Fundierung und drittens Einfachheit. Natürlich geben uns unter anderem auch die Zuschriften hierfür Anhaltspunkte, zum Beispiel was Themen, Verständlichkeit oder Gestaltung betrifft. Gerade weil sich einige Anfragen an uns inhaltlich oft wiederholen, haben wir spezifische Informationen zum Umgang mit Problemen in der Pflege sowie über zuständige Stellen auf unserer Website zusammengestellt. Zudem gibt es die Möglichkeit, in unserer Datenbank nach Adressen örtlicher Beratungs- und Beschwerdestellen sowie Heimaufsichten zu recherchieren.

Informationen zum Umgang mit Problemen in der Pflege:
www.zqp.de/angebot/probleme-in-der-pflege

ZQP-Beratungsdatenbank:
www.zqp.de/beratung-pflege

Mehr Informationen

Dieses Interview ist ein Auszug aus dem Fachmagazin ZQP diskurs 2024. Das Magazin kann kostenfrei heruntergeladen werden. Weitere Informationen für pflegende Angehörige finden Sie auch in unserem Tipp-Bereich. Wenn Sie mehr zu unserer Arbeit und unserem Team erfahren möchten lesen Sie gerne im Über-Uns-Bereich weiter.