Interview

"Delir wird noch zu häufig verkannt"

Im Interview spricht der Vorstandsvorsitzende des ZQP, PD Dr. Ralf Suhr, über die Relevanz des Themas Delir-Prävention und den Beitrag der Stiftung.

Herr Dr. Suhr, wieso ist Delir-Prävention bei älteren Menschen so wichtig?

Ältere Menschen sind besonders gefährdet, ein Delir zu entwickeln. Bereits scheinbar geringfügige individuelle und umgebungsbedingte Einflüsse können Auslöser sein. Gleichzeitig sind körperliche, geistige und psychische Folgen bei ihnen vielfach besonders schwerwiegend. Das gilt vor allem, wenn das Delir nicht erkannt und daher falsch behandelt wird. Davor müssen wir die Menschen möglichst gut schützen. Das ist nicht nur individuell sehr relevant, sondern auch gesellschaftlich und gesundheitspolitisch. Denn die Zahl hochaltriger Menschen mit vielfachen Gesundheitsproblemen und Pflegebedarf wird bekanntlich weiter steigen – und die Ressourcen für deren sichere Versorgung werden knapper.

Wo stehen wir in Deutschland Ihrer Ansicht nach bei der Delir-Prävention?

Meine Einschätzung ist, dass das Thema in Deutschland seit ein paar Jahren sowohl wissenschaftlich als auch praktisch zunehmend in den Blick genommen wird. Es gibt eine Reihe von Forschungsprojekten – wie etwa das TRADE-Projekt, an dem auch das ZQP beteiligt war. Der Innovationsausschuss hat eine ganze Reihe von entsprechenden Projekten gefördert. Auch nehme ich wahr, dass immer mehr Krankenhäuser Konzepte zur Delir-Prävention aufweisen. Dennoch: Ich denke, dass Wissenslücken im Kontext Delir-Prävention und Delir-Management unter Gesundheitspersonal vorhanden sind – etwa zu Risikofaktoren, zur Diagnostik und zu Maßnahmen. Außerdem mangelt es sicher in Gesundheitseinrichtungen zum Teil an delir-präventiven Strukturen und Prozessen.

„Zur Prävention und bei der Therapie eines Delirs kommt es auf verschiedene ineinandergreifende Aspekte an.“

Was sind denn gute Ansätze?

Die Forschung zeigt, dass es für eine gelingende Prävention, Linderung und Therapie eines Delirs auf verschiedene ineinandergreifende Aspekte ankommt: Das sind zum einen sensibilisiertes und geschultes Gesundheitspersonal und deren gute strukturell verankerte multiprofessionelle Zusammenarbeit sowie eine positive Sicherheitskultur in der jeweiligen Organisation. Regelmäßige Screenings, eine gezielte Diagnostik und die Behandlung der organischen Ursachen und Auslöser sind weitere wichtige Elemente. Dann kommt es auf den gezielten Einsatz individualisierter Interventionen an. Diese zielen zum Beispiel auf Reizreduktion, Reorientierung, Aktivierung, Kommunikation, Mobilisation und die gute Vorbereitung von Ortswechseln in Gesundheitseinrichtungen bei Entlassung oder Verlegung. Wichtig ist dabei, Angehörige einzubeziehen. Sie können nach entsprechender Information oder Anleitung entscheidend Einfluss nehmen.

Wird das ZQP weiterhin dazu arbeiten?

Eindeutig ja. Das ZQP will den Wissenstransfer zum Thema fördern. Uns ist es wichtig, Profis im Pflegekontext, aber auch Angehörige zielgruppengerecht zu adressieren. Darum haben wir Arbeitsmaterial zur Delir-Prävention für die professionelle Pflege entwickelt. Für Angehörige haben wir zudem kürzlich einen Kurz-Ratgeber veröffentlicht, der prägnant erklärt, wie sie zur Prävention beziehungsweise Linderung eines Delirs beitragen können.

 

Titelseite der Broschüre „Vorbeugung von Delir bei älteren Menschen“

Einblick

Vorbeugung von Delir bei älteren Menschen

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Dieses Interview ist ein aktualisierter Auszug aus dem Fachmagazin ZQP diskurs 2024. Das Magazin kann kostenfrei heruntergeladen werden. Weitere Ratgeber und Kurz-Ratgeber finden Sie in unseren Angebotsbereich. Wenn Sie mehr zu unserer Arbeit und unserem Team erfahren möchten lesen Sie gerne im Über-Uns-Bereich weiter.