Berlin, 18. Juli 2024. Heiße Tage und Nächte werden in Deutschland immer häufiger. Das belastet die Gesundheit der Bevölkerung. 2023 starben hierzulande sogar 3.200 Menschen hitzebedingt. Durch Verkehrsunfälle kamen im selben Jahr weniger Personen ums Leben. Gerade bei älteren pflegebedürftigen Menschen besteht das Risiko für gravierende hitzebedingte Gesundheitsprobleme – vor allem, wenn die nötige Unterstützung für Hitzeschutz, Abkühlung und Flüssigkeitsaufnahme fehlt. Aber auch für Pflegende ist Hitze belastend und kann gesundheitlich schaden. Der Vorstandsvorsitzende der gemeinnützigen Stiftung Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP), PD Dr. Ralf Suhr warnt daher: „Jetzt im Hochsommer zeigt sich wieder, wie bedeutsam Hitzeprobleme und Hitzeschutz in der Pflege sind. Dabei gilt es, verstärktes Augenmerk auf die häusliche Pflege zu richten. Denn etwa 4 von 5 pflegebedürftigen Menschen in Deutschland werden zu Hause von Angehörigen und ambulanten Pflegediensten versorgt. Leider gibt es dafür beim Thema Hitzeschutz noch zu wenig öffentliche Wahrnehmung.“
Ambulanten Pflegediensten kommt darum eine wichtige Rolle beim Schutz älterer pflegebedürftiger Menschen vor hitzebedingten Gesundheitsschäden zu. Aber welche Herausforderungen bei der Umsetzung von Hitzeschutzmaßnahmen aus pflegerischer Sicht dabei bestehen, darüber gibt es bisher wenig wissenschaftliche Erkenntnisse. Darum hat das Forschungsteam des ZQP eine bundesweite Untersuchung durchgeführt, für die 1.000 Leitungspersonen und Qualitätsbeauftragte ambulanter Dienste zu ihren Erfahrungen und zum Umgang mit Hitzeereignissen in den Diensten im Sommer des zurückliegenden Jahres befragt wurden.
Die heute vorgestellte Studie unterstreicht dabei, dass Hitzebelastung auch im Sommer 2023 aus Sicht der Pflegedienste ein drängendes Problem war: 44 Prozent der Teilnehmenden schätzen, dass es in den drei Monaten vor der Befragung in ihrer Region oft oder sehr oft so heiß war, dass damit ein gesundheitliches Risiko für die von ihnen versorgten pflegebedürftigen Menschen verbunden gewesen ist. Die Analyse zeigt auch, dass über die Hälfte der Pflegedienste in dieser Zeit mindestens eine Hitzewelle bewältigen musste. Generell machen sich 40 Prozent der Pflegeprofis große Sorgen über negative Auswirkungen von Wetterextremereignissen wie Hitzewellen auf die Gesundheit der Menschen in ihrer Region.
Wetterlagen, die hohe Temperaturen bescheren, wirken sich auch auf die Pflegekräfte in den Diensten aus. Denn ein erheblicher Teil der Befragten nimmt umfängliche hitzebedingte Belastungen des Personals wahr: So kommt rund ein Drittel zu der Einschätzung, dass körperliche Erschöpfung ihrer Kolleginnen und Kollegen bei Hitzewellen sehr oft (6 Prozent) oder oft (26 Prozent) zunimmt. Mit Blick auf geistige Erschöpfung sagt rund ein Viertel, dass dies sehr oft (4 Prozent) oder oft (22 Prozent) der Fall sei. Das kann nicht nur die Arbeitsbedingungen verschlechtern, sondern auch gravierende Auswirkungen auf die Sicherheit der pflegerisch versorgten Menschen haben. Zumal ein Fünftel (20 Prozent) der Leitungskräfte und Qualitätsbeauftragten bekundet, dass bei der Arbeit unter Hitze mehr Fehler in ihrem Dienst auftreten. Suhr mahnt dementsprechend: „Während Hitzewellen kann die Arbeitsbelastung in der Pflege beträchtlich erhöht sein. Dabei kommen zwei maßgebliche Faktoren zusammen: Zum einen wirkt sich Hitze naturgemäß auf die Leistungsfähigkeit der Pflegenden selbst aus und zum anderen steigt oftmals der Informations- und Versorgungsaufwand bei den pflegebedürftigen Menschen und ihren Angehörigen. Das bedeutet für die Pflegenden, sie müssen unter den erschwerten Bedingungen zum Teil über Tage mehr Leistung unter Zeitdruck erbringen.“ Dabei seien zusätzliche Aufgaben für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Dienste oft kaum zu stemmen, so der Experte weiter.
Auch legt die Studie nahe, dass sich viele ambulante Pflegedienste intensiv mit der Frage auseinandersetzen, wie sie den Gesundheitsschutz ihrer Klientinnen und Klienten an heißen Tagen und Nächten verbessern können. Viele Dienste haben offenbar entsprechende Präventionsmaßnahmen ergriffen: So geben knapp die Hälfte (47 Prozent) der Befragten an, dass es in ihrem Pflegedienst einen Hitzeaktionsplan gibt. In regionale Hitzeschutznetzwerke sind hingegen nur sehr wenige Pflegedienste eingebunden (unter 5 Prozent). Beide Maßnahmen gelten als wichtige Präventionsbausteine. Auch in der Analyse, der bis zum Zeitpunkt der Befragung umgesetzten Einzelmaßnahmen zum Hitzeschutz von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie Klientinnen und Klienten in den einzelnen Diensten, ergibt sich ein differenziertes Bild: Über 90 Prozent der Einrichtungen haben laut den Studienteilnehmern schon verschiedene Maßnahmen aus einem im Rahmen der Befragung vorgelegten Katalog von empfohlenen Vorkehrungen getroffen. 47 Prozent haben sogar relativ viele (11 bis 15) solcher Maßnahmen umgesetzt. Doch wo Licht ist, ist auch Schatten. So berichten beispielsweise 55 Prozent der Teilnehmenden, in ihrem Pflegedienst seien noch keine Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter zum Thema Hitzeschutzmaßnahmen geschult worden. Etwas mehr als ein Viertel (28 Prozent) geben an, bei ihnen würde nicht geprüft, ob Klientinnen und Klienten zu einer Risikogruppe für hitzebedingte Gesundheitsprobleme gehören.
Suhr ordnet ein: „Es ist keine Überraschung, dass ambulante Dienste unterschiedlich weit bei der Umsetzung von Hitzeschutzkonzepten und Präventionsmaßnahmen sind. Klar ist, alle Dienste müssen sich kümmern und intensiv dabei unterstützt werden, zentrale Maßnahmen wie die Erarbeitung eines Hitzeschutzplans oder Mitarbeiterschulungen zum Thema Hitze praktisch zu realisieren.“ Es gebe darüber hinaus aber noch weitere dringende Aufgaben, die erledigt werden müssten, um ältere hilfebedürftige Menschen in ihren Kommunen besser vor den Einwirkungen von Sonne und Hitze zu schützen. Eine zentrale Aufgabe sieht er im Bereich des Wohnraums und insbesondere im Wohnumfeld. „Ein wichtiger Aspekt für Prävention und Gesundheitsförderung ist, dass das eigene Zuhause und das umgebende Quartier die Möglichkeiten für eine weitestgehend selbstständige Lebensführung sowie für soziale Teilhabe von älteren pflegebedürftigen Menschen erhöht – und vor allem nicht senkt“, führt Suhr weiter aus. Das gelte eben auch für die heißen Phasen des Jahres. So seien zum Beispiel wirksame Verschattungsmöglichkeiten von Wohnungen, schattige Vorplätze und beschattete Sitzgelegenheiten im Umfeld der Seniorinnen und Senioren relevante Beiträge zu entsprechend pflegefreundlichen Lebensorten.
Die vollständige Studie kann auf dem werbefreien Online-Portal des ZQP unter www.zqp.de unentgeltlich heruntergeladen werden.